„Die Realität ist unseren Spielchen gegenüber göttlich gleichgültig“, sagt Richard Bach. Wir beziehen uns nicht auf die Realität – wir beziehen uns auf das, was wir unwissentlich in die Realität projizieren. Wir beziehen uns auf „unseren eigenen Kram“.
Das Universum ist einfach nicht daran interessiert, unseren Schwachsinn zu bestätigen, und wenn wir also wollen, dass unser Schwachsinn bestätigt wird – und das wollen wir unbedingt –, dann müssen wir uns selbst darum kümmern! Wir müssen „selbst darum kümmern“, indem wir uns selbst belügen, wie wir es müssen, wenn wir uns das Gefühl von Bodenhaftung (wie halluzinatorisch dieses Gefühl auch sein mag) unter den Füßen sichern wollen. Es gibt keinen anderen Weg. Wenn wir das jedoch tun, dann hat das – wie bereits gesagt – den Effekt, das Nullsummenspiel in unseren Köpfen zu etablieren. Wir „verursachen das Gesetz der Aufhebung“. Wir stellen uns dem Aufhebungsprozess zur Verfügung, wir liefern uns ihm aus. Wir betreten (auf einem unumkehrbaren Weg) die düsteren Täler und dunklen Höhlen von Avernus, ohne etwas zu bemerken…
Nullsummenspiel bedeutet eine unendliche Regression von Ja gefolgt von Nein, von Aufwärts gefolgt von Abwärts. Durch die Taktik, dem Universum geschlossene Fragen zu stellen, lassen wir es die Gültigkeit unseres Ansatzes bestätigen (was es tut, indem es die Aussage, die wir gerade getroffen haben, entweder bejaht oder verneint). versus führt jedoch immer zu einer Regression (wie das berühmte Lügner-Paradoxon elegant veranschaulicht): POSITIV kann nirgendwo anders hin als NEGATIV, und NEGATIV kann nirgendwo anders hin als POSITIV. Wer lange genug nach Norden reist, landet schließlich im Süden. JA sagen heißt NEIN heraufbeschwören, und NEIN sagen heißt JA heraufbeschwören, und diese gegenseitige Anrufung geht ewig weiter, ohne irgendwohin zu führen. „Dem, was wir selbst gerade gesagt haben, uneingeschränkt zuzustimmen, bedeutet, dem uneingeschränkt zu widersprechen. Daher können wir immer nur zwischen den beiden extremen Positionen hin- und herschwanken und uns abwechselnd selbst fördern und verleugnen …“
Nick Williams
Mit der höllischste Aspekt des Albtraums namens menschliche Existenz ist mit Sicherheit das Räderwerk, das „System“, dem wir alle unterworfen sind. Jenes Räderwerk, dass alle Gesellschaften, alle Nationen, alle Kulturen umfasst. Dem sich unterwerfen, dem dienen muss, wer vorwärtskommen – oder auch nur überleben will.
Im Grunde ist das unerträglich. Zumal jeder im Grunde spürt und weiß, dass das System, dem er dient, von Grund auf wider den Menschen, wider die Natur, ja wider das Leben gerichtet ist. Es ist die kontinuierliche Bewegung fort von dem, was wahr, gut und schön ist. Deshalb wird ja alles immer nur noch schlimmer. Als Leben kann man das normale menschliche Dasein eigentlich gar nicht mehr bezeichnen. Es ist allenfalls ein Überleben.
Aber nur dem Schein nach. In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Deine Lebenskraft wird dir abgezapft – um des Systems willen, das sich aus ihr nährt. Dabei wird dein Opfer nicht nur in Kauf genommen – es wird verlangt. Und du kannst nichts dagegen tun. Ob du willst oder nicht, du bist in das System hineingeboren, du bist Teil des Räderwerks und nährst es mit deiner Existenz.
Das ist dein Anteil daran, dass alles unweigerlich den Bach runtergeht. Derweil wirkt die ganze Zeit lang eine unsichtbare Gegenbewegung. In dir und in allem. Es ist eine natürliche, eine antisystemische Kraft. Menschlichkeit zum Beispiel ist Teil dieser Kraft. MItgefühl. Liebe. Tiefe. Der natürliche Drang, bewusster zu werden, zu lernen, innerlich zu wachsen. Die natürliche Sehnsucht nach Spontanität, nach neuen Impulsen, nach Inspiration, nach dem Gefühl, wirklich zu leben.
Das Dilemma ist, dass diese Kraft vom System nicht gefördert, sondern mit allen Mitteln unterdrückt wird, sprich: Du wirst nicht dafür belohnt, sondern bestraft, wenn du ihr Platz gewährst. Der Wunsch, wirklich zu leben, gefährdet dein Überleben. Beileibe nicht nur physisch. Es geht auch um dein Überleben als soziales Wesen. Denn es gibt ja kein Außerhalb des Systems. Nicht in dieser Welt. Vielleicht gab es das einmal. Heute gibt es das nicht mehr. Und innerhalb des Systems kann die Kraft nicht wirklich wirksam werden. Denn sie kann ja nicht integriert werden. Würde sie integriert, würde schließlich das System verschwinden. Und so muss das System darauf bauen, die Integration zu verhindern.
Das gilt natürlich auch für das innere System des Menschen. Schließlich ist das „funktionale Ich“, dass das eigene Überleben sichert, indem es dem Räderwerk dient, auf mehr als wackeligen Füßen: Es steht auf halluzinierten Füßen. Auf halluziniertem Boden. In einer halluzinierten Welt. Würde er sie zulassen und integrieren, die unsichtbare Gegenbewegung würde die Halluzination auflösen, sie würde die Füße, den Boden, die Welt auflösen und den Menschen dem Fluss zurückerstatten, der Leben eigentlich ist.