
Negative Philosophie: Die geistige Reise ans Ende der Lügen
220 Seiten
Negative Philosophie ist der geistige Weg nach Hause. Ohne großes Tamtam. Ohne esoterische Floskeln. Ohne Räucherstäbchen. Klar und nüchtern, auf direktem Weg.
Blick ins Buch
Wahres Erkennen
“Diese meine dionysische Welt des Ewig-sich-selber-Schaffens, des Ewig-sich-selber-Zerstörens … dies mein Jenseits von Gut und Böse, ohne Ziel, wenn nicht im Glück des Kreises ein Ziel liegt … Wollt ihr einen Namen für diese Welt? … Ein Licht für euch, ihr Verborgensten, Stärksten, Unerschrockensten, Mitternächtlichsten? … Diese Welt ist der Wille zur Macht – und nichts außerdem! Und auch ihr seid dieser Wille zur Macht – und nichts außerdem!“
F. Nietzsche
Philosophie, die das Selbst verbessern will, ist als Philosophie verkleidete Psychologie. Philosophie, die die Welt verbessern will, ist als Philosophie verkleidete Politik. Wahre Philosophie ist der Wille zur Erkenntnis. Oder mit Nietzsche gesagt: der Wille zur Macht der Erkenntnis. Es kann dem Philosophierenden daher gar nicht um Veränderung des Status Quo gehen. Denn der Status Quo wird geopfert. Der Erkenntnisdrang beruht schließlich auf der Prämisse, dass ein Erkennen nötig und auch möglich ist. Dies aber setzt voraus, dass alles noch zu Erkennende gegenwärtig noch verkannt oder unbekannt ist.
Was aber das Erkennen des Ver- oder Unbekannten verändern wird, das weiß der Philosophierende nicht. Es mag das Selbst oder die Welt verbessern oder verschlechtern, er weiß es nicht und kann es auch nicht wissen. Das ist der Preis, den wahre Philosophie einfordert. Der Philosophierende muss sein Selbst opfern, er muss die Welt opfern um der Erkenntnis willen. Und zwar nicht einmal, sondern immerfort. Der Status Quo als bestehendes Selbst, als bestehende Welt wird hingegeben. Was bleibt, ist Meister Eckharts „ewige Geburt“.
Wahre Philosophie ist daher das Schreckgespinst aller übrigen Wissenschaften. Vielleicht von der Quantenphysik einmal abgesehen, schafft Wissenschaft ja ein Mehr an vermeintlichem Wissen. Der Status Quo wird nicht geopfert, sondern mit Wissen bereichert. Daraus erklärt sich auch der Status Quo der Wissenschaftler selbst. Denn sie bereichern auch sich selbst mithilfe des geschaffenen Wissens, statt sich selbst zu opfern im Zuge der Erkenntnis. Daher werden wahrhaft Philosophierende von der bestehenden Welt samt der Wissenschaft verunglimpft.
Meister Eckhart ist ein gutes Beispiel dafür. Er gilt ja nur als Mystiker, weil dies ermöglicht, seine philosophischen Erkenntnisse als unwissenschaftlich abzustempeln. Er ist schlichtweg zu weit gegangen, er hat das Bestehende gefährdet, er hat sein Selbst, er hat die Welt geopfert um der Erkenntnis willen. Da fängt Wissenschaft eigentlich erst an. Die bestehende Welt aber will davon nichts hören und darf es auch nicht, will sie weiter bestehen.
Autarkie
Also sprach die alte Seele:
Der törichte Narr strebt nach weltlicher Macht: Er sammelt Trophäen für die Ewigkeit.
Die alte Seele strebt nach spiritueller Macht: Er sammelt existentielle Erkenntnis für die Ewigkeit.
Der Übermensch steht jenseits seiner selbst: Er steht selbst jenseits der Ewigkeit.
Als Mensch ist er ganz und gar Mensch, hier weise, dort töricht, hier Sammler, dort Jäger, hier lustig, dort traurig, hier erhaben, dort dem Sumpf des Daseins erlegen.
In der Wahrheit steht der Übermensch – im wahren Wesen aller Erscheinung. Im wahren Wesen des Menschen, als der er erscheint.
Was faselt Ihr von Schicksal?
Dein wahres Wesen ist Dein Schicksal. Alles menschliche Schicksal ist Spiel von Form und Zeit. Alles Werden ist Spiel von Erde und Wasser und Feuer und Wind.
Du musst nicht lernen, dein menschliches Schicksal zu akzeptieren – oder gar zu wollen. Akzeptanz macht froh, aber sie befreit nicht. Sowenig wie das Wollen. Nichts befreit. Niemand wird befreit. Weil es nichts und niemanden zu befreien gibt.
Was ist denn Autarkie? Leben ohne Dich.
Was ist denn Ewigkeit? Sein ohne Welt.
Was ist denn Freiheit? Werden ohne Gewordenes.
Jene „hundertfältig erfahrene Unlust der Abhängigkeit, der Ohnmacht“ – sie wird durch den Willen zur Macht nicht aufgelöst, sondern im Spiel gehalten. Nur wo die Ohnmacht sein darf, als was auch immer sie erscheint, kann sie sich zurückverwandeln in ihr wahres Wesen. Ihr Schicksal liegt in Deinen Händen. So wie Deines in ihren Händen liegt. Begreifst Du das? Du wirst nicht frei, indem du sie loswirst. Du wirst frei in ihr. Sobald Du sie frei lässt in Dir.
Das Unerfahrbare
Also sprach Die alte Seele:
Erfahrene Ohnmacht dient allein der Unterhaltung –
genau wie erfahrene Macht. Denn alle Erfahrung dient allein ihrer selbst. Dein wahres Wesen ist übermenschlich und übergöttlich und überzeitlich. Deswegen kann es auch nicht erfahren werden.
Werden kann erfahren werden. Menschsein kann erfahren werden. Form und Zeit können erfahren werden und Erde und Wasser und Feuer und Wind. Aber das wahre Wesen aller Dinge kann nicht erfahren werden. Jedes Ding ist sein wahres Wesen. Aber nicht als Ding, das es ist. Sondern als Unding, das es ist. Als Ding, das weiß, dass es nicht ist.
So ist auch der Übermensch kein Supermann – er ist bloß ein Mann, der weiß, dass er kein Mensch ist. Er hat sich selbst überwunden. Er hat sich jenseits aller Existenz gefunden. Als Sein und Nichtsein. Als wahres Wesen aller Dinge.
Macht und Ohnmacht gibt es hier nicht. Als Mensch ist er Wille und Unwille. Als Ding ist er Wille und Unwille. Als Gott ist er Wille und Unwille. Jenseits von Wille und Unwille, da ist er, indem er nicht ist.
Der Übermensch erfährt und lehrt also kein anderes Menschsein. Er erklärt das Menschsein zum Mythos. Und die Nichtexistenz zur Wirklichkeit. Real ist ihm nicht das Leben, sondern das Wesen. Real sind ihm nicht Macht und Ohnmacht, real ist ihm allein das Unerfahrbare.
Was sichtbar ist an ihm an Wort und Tat und Menschenleben, das erfährt er nicht als eigenes Selbst. Als sich erfährt er jenes Unerfahrbare. Er findet sich dort, wo er sich nicht suchen kann. Nur dort, wo er nicht ist, weiß er, dass er ist.