Französischer Rotwein

Was Nisagardatta meint, wenn er sagt, das wahre Selbst könne ziemlich gewalttätig sein, ist nicht Maschinengewehrgewalt. Das wahre Selbst mag einem gnadenlos das Leben zerreißen. Es zieht einem den Boden unter den Füßen weg, missbraucht das Vertrauen, zerstört die Hoffnungen und legt das Leben in Trümmer. Es ist schrecklich, aber es ist Gnade und hat nichts mit dem Reich von Karma und Schicksal des Egos und Mayas zu tun. Es ist der ultimative Ruf des Schicksals, es ist der Ausweg aus Karma und Schicksal, aus der Ego/Maya-Knechtschaft, aus der Selbsttäuschung, auf der es aufbaut.

So etwas ist ziemlich selten. Es passiert nur denen, die schon sehr lange da sind –- zu lange in den Augen ihres wahren Selbst. Für andere, deren Zeit noch nicht abgelaufen ist, gibt es noch Raum, mit Ideen zu flirten, sich weiße Kleider anzuziehen, um dem Meister zu Füßen zu sitzen, oder dessen Rolle zu übernehmen und sich mit Schülern zu umgeben. Für uns ist es die Muppet-Show, aber sie haben Spaß an diesem Doppelspiel.

Währenddessen bleibt es unbegreiflich, dass es von jeher immer nur sehr wenige Menschen gegeben hat, die wirklich erwacht sind. Was ist da los? Sollte es nicht ein Gleichgewicht zwischen ein- und ausgehenden „Partikeln“ geben? Vielleicht liegt es am Kali Yuga. Vielleicht ist es üblich, von dieser Matrix in andere „Zeiträume“ hinüberzuwechseln, wenn es Zeit für den letzten Schritt ist, in Zeiträume, da die Maya-Herrschaft weniger ausgeprägt ist und die Heimkehr leichter fällt.

Vielleicht kamen wir nur als Fackelträger hierher, weil das Tor auch in den dunkelsten Zeiten offen gehalten werden muss. Damit Wesen Hilfe finden, hinüberzugehen, selbst wenn es unwahrscheinlich ist, dass jemand diese Hilfe sucht, geschweige denn diese Führung richtig nutzt und sich wirklich befreit.

In diesen Zeiten sind wir die Brücke, die niemand auch nur anzusehen wagt. Das macht das Herumhängen hier noch unangenehmer, als es ohnehin schon wäre. Unwahrscheinliches ist aber nie unmöglich. Deswegen sind stets ein paar Fackelträger Teil der Show.

Humor ist ein probates Mittel, um den Schritt zu erleichtern, überhaupt nur den Blick auf die Brücke zu wagen. Du verbrennst aber nicht, indem du in die Flamme schaust. Dem Fackelträger ist Satire der französiche Rotwein, den er seinem Gast einschenkt, auf dass der im Rausch die Rüstung ablegt und lachend zu tanzen beginnt. Ist er betrunken genug, schleppt er ihn auf die Brücke, und wirft ihn in den Abgrund.

Das ist die Gnade. Das Schicksal schreibt eine andere Geschichte. Es wird weltweit aufgerüstet. Nicht etwa aus Angst vor einem äußeren Feind, der wird stets bloß erfunden. Sondern als Schutzschild gegen das eigene Volk. Es wird ja derzeit nicht nur weltweit die Mittelschicht abgeschafft. Es wird auch bald nicht mehr genug zu fressen geben. Das schlimme Schicksal ist unabwendbar. Das Kali Yuga kann gar kein gutes Ende nehmen.

Das spürt ja auch jeder. Das weiß im Grunde auch jeder. Wer es noch leugnet, spielt nur Theater. Sterben lernen ist angesagt, so oder so. Wo gut zu leben nicht mehr möglich ist, ist eben gut zu sterben angesagt. Loslassen. Vergeben. Loslassen. Vergeben. Loslassen. Vergeben. Gerne gehen. Gerne gehen. Gerne gehen.