Wir sind alle irre, aber fast niemand weiß es. Schlichtweg, weil es nur wissen kann, wer sich außerhalb des Verstandes wiedergefunden und realisiert hat, dass es die Welt des Verstandes ist, in der wir uns befinden, und dass all unsere Spiele eben dort „drin“ stattfinden, es eine Welt „dort draußen“ gar nicht gibt.

Der Verstand differenziert. Wenn Hunde spielen, bleibt das Spiel recht begrenzt, weil die Differenzierung recht begrenzt bleibt. Beispielsweise geht das Spiel um „Ball haben“ und „Ball nicht haben“ nicht in differenziertere Spiele über, es werden keine Tore gebaut und Linien gezogen und Regeln definiert. Eben weil ihr Verstand weniger differenziert, bleibt der Spielraum der Hunde – und damit auch ihr Wahnsinn – relativ begrenzt.

Die Differenzierungsfähigkeit des menschlichen Verstandes indes ist uferlos. So sehr, dass die konkrete Welt irgendwann nicht mehr genügt und das Spiel ins Abstrakte übergeht und dort alle möglichen Arten von inneren und kollektiven Welten schafft. Man denke nur an die Psyche des modernen Menschen, sein komplexes Selbstbild. Oder an die Finanzwelt. Oder an die Welt der Religionen. Oder an die Welt der Nationen. Oder an die Welt der Wissenschaft.

Das Ganze ist purer Wahnsinn, weil nichts von dem, was der Verstand da in die Welt setzt, wahr ist. Es ist nicht einmal wirklich. Es existiert allein in ihm, als das, was er dem, was er da wahrnimmt und gleichsam differenziert, aufstülpt. Als seine eigene Erfindung. 

Es ist zwar Intelligenz am Werk. Aber es ist nicht der Mensch, der intelligent ist. Sondern es ist  die Intelligenz, die intelligent ist. Und der Mensch ist ihr Werkzeug. Und gleichsam ihr Spielfeld.

Klar, der Hund, der nach dem Ball läuft, ist auch irre. Der Mensch aber ist der an seiner größeren Intelligenz wahnsinniger gewordene Hund. Dazu verdammt, Grenzen zu definieren und Territorien zu verteidigen, die es außerhalb der ihn beherrschenden Intelligenz gar nicht gibt.

Negative Philosophie beendet das Spiel nicht, der Verstand und seine Welten leben schließlich weiter. Sie kehrt bloß das Kräfteverhältnis um. Der Mensch erwacht als jene differenzierende Intelligenz umschließende Intelligenz. Dieser Prozess ist irreversibel. Und der Mensch fortan in dem Sinne nicht mehr irre, dass er weiß, dass er irre ist.

Welche Rolle er fortan in der Welt spielt, ist völlig ungewiss. Gewiss ist nur, dass sein Hiersein ein ziemliches Debakel sein wird. Seine Bewusstheit ist hier nicht willkommen. Seine Intelligenz ist hier nichts wert. Seine Medizin gilt hier als Gift. Denn der differenzierende Verstand, den er umfasst, meint ja, dass er ihn umfasse und sieht ihn nur im Kontext der konkreten und abstrakten Welten, die er selbst erschaffen hat.      

Wache Bewusstheit sucht den gemeinsamen Fluss jenseits jener unwirklichen Wirklichkeiten. Beziehungsweise im gemeinsamen Spiel mit eben diesen. Nur ist das eben nicht möglich, wo Menschen ihrem Verstand noch Untertan sind und ihren Urteilen noch glauben.  Wo noch nicht erkannt ist, dass es nicht ihre eigenen Urteile sind, sondern mentale Erscheinungen, die von der im Hintergrund laufenden Beurteilungsmaschine produziert werden – und zwar am laufenden Band. Und ohne, dass irgendeines dieser Fließbandprodukte je mehr wäre oder sein könnte als die irrelevante mentale Erscheinung, die es ist.

Dass es sich bei allem, wirklich allem, was der Verstand verzapft, vom Urteil über den Geschmack des Brötchens und die Erklärung der morgendlichen Migräne über die moralische Entrüstung bis hin zu metaphysischen ‚Erkenntnissen‘, bis hin zum Selbst- und Weltbild, um in China am Fließband hergestellte Plastikspielzeuge handelt, die beim ersten Gebrauch auseinanderfallen, davon darf der vom Verstand beherrschte Mensch nichts wissen. Denn darauf, dass er es nicht weiß, beruht ja gerade die Herrschaft des Verstandes.

Der beherrschte Mensch ist kein eigenständiges Wesen, keine eigenständige Bewusstheit. Deshalb ist da auch nichts und niemand, mit dem in einen gemeinsamen Fluss gestiegen werden könnte. Wo Wasser sein sollte, da herrscht noch Unbewusstheit, Dürre. Und die Hand, die du greifst, besteht aus Plastik. Der ganze China-Schrott muss erstmal ausgemistet werden, soll das Brachland fruchtbar werden, soll Bewusstheit einziehen, wo noch Unbewusstheit herrscht. 

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