Vegane Hamburger


“Leben ist nur ein wandelnder Schatten; ein armer Spieler, der sein Stündchen auf der Bühne prahlt und tobt und dann für immer verschwindet. Es ist eine Fabel, erzählt von einem Idioten, eine Fabel voller Klang und Wut, die nichts bedeutet.”

– Macbeth

Es ist einfach alles ein Riesen Schwachsinn. Das ganze Leben. Alle Schöpfung. Natürlich auch die Spiritualität. Beziehungsweise: Spiritualität ist die Praxis der Enthüllung des Ganzen als Schwachsinn. Sollte sie zumindest sein. Davon wollen die Menschen aber nichts wissen, und so werden allerlei Lügen erfunden. Märchen eben, Kindermärchen. Bedeutungsschwangere Geschichten. Von guten und bösen Geistern, von Hürden und Türen, von Wegen und Zielen. 

Natürlich ist das alles Teil des wandelnden Schattenbildes, und alle Schüler und Lehrer sind Gesichter des einen armen Spielers, des einen idioten, der sich selbst verarscht. 

Hast du dich je gefragt, wie es sein kann, dass Milliarden in Kirchen, Tempeln, Moscheen und Universitäten vertrauen, während die tiefgründigsten spirituellen Lehren kaum jemand kennt? Wie es sein kann, dass die wahren spirituellen Lehrer nie mehr als ein paar hundert Schüler hatten, während Abermillionen zu Füßen falscher Götter sitzen? Es ist ein Wunder. Ein Wunder, das dem Wunder namens Leben noch eins draufsetzt.

Der wahre spirituelle Lehrer kann mit dem Psychiater verglichen werden, der einem Patienten mit einer paranoiden Psychose gegenübersitzt. Da er den Patienten mit der Tatsache konfrontiert wird, dass ihn niemand ausspioniert, weil sich niemand einen Dreck um ihn und sein Leben schert, zumal es so bedeutungslos und idiotisch ist wie jedes andere auch, zeigt dieser sich nicht etwa einsichtig. Sondern entwickelt  den tiefen Verdacht, dass der Arzt Teil der Verschwörung ist.

Stell dir nun vor, du wärst dieser Psychiater. Nur wärst du nicht mit einem einzigen paranoiden Patienten konfrontiert, sondern umgeben von purem Wahnsinn. Die Angehörigen des Patienten, das Krankenhauspersonal und jeder, dem du außerhalb der Klinik begegnest – sie alle sind verrückt. Natürlich wird dir niemand glauben, wenn du behauptest, der einzige Mensch weit und breit zu sein, der nicht irre ist. Vielmehr wird die Gesellschaft dich anprangern und als irre betrachten. Und das zu Recht, aus ihrer Sicht.

Dieses Wunder ist ein Symptom von Mayas Triumph. Es ist ein Wunder, weil alles und jeder, der im Bewusstsein erscheint, magnetisch zurück zur Wahrheit gezogen wird. Einfach, weil es seine Natur jenseits der Erscheinung ist. Doch vorerst hat die Göttin der Täuschung, hat das Ego gesiegt. Den eingebildeten Stimmen wird geglaubt. Jenes Stündchen auf der Bühne bleibt bedeutungsschwer. 

Teilen ist offensichtlich ein natürliches Bedürfnis, das der Tatsache geschuldet ist, dass wir nur so tun, als wären wir getrennt. Und es ist ein wenig traurig, dass auf die tiefere Wahrheit bezogene Angebote meist abgelehnt werden. Nisargadattas Meister wusste um den Widerstand der Menschheit gegen die Wahrheit und wies ihn an, tägliche Rituale mit Gesang und Meditation anzubieten. Denn das ist es, was die Menschen anzieht, nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist für die Menschen zu ernüchternd, zu erschreckend. Und auch beleidigend, ja geradezu erniedrigend. Sie ist in jeder Hinsicht bedrohlich. Und unerträglich. Nicht, weil sie zu schwer wäre. Sondern eben, weil sie die Bedeutungsschwere gänzlich auflöst: weil sie zu leicht ist. Weil am Ende nur ein Idiot übrig ist, der ein Märchen erzählt. Und selbst das Erzählen des Märchens ist bloß Märchen und der Idiot nie gewesen.

Der wache Psychiater hat die ultimative Medizin für seine paranoiden Patienten in der Tasche. Die Welt schluckt aber lieber andere Pillen. Zu wissen, dass sie dich dafür bezahlen, diese anderen Pillen zu verschreiben, sich aber weigern, dein tiefstes Geschenk zu würdigen, ist eine harte Nuss. Besonders, weil du weißt, dass du nicht von ihnen getrennt bist. Es ist, als ob dein eigener Finger nichts mit dir zu tun haben will. Oder schlimmer noch, als ob er vom Rest des Körpers verlangt, sich seiner Kontrolle, seinen größenwahnsinnigen, egozentrischen Ideen zu unterwerfen. 

Am Ende des Tages würdest du das Ding am liebsten abhacken. Und dann heimlich in ihre Hamburger stecken. Denn das ist es ja, was dir innerlich passiert ist, du hast dir den Finger abgehackt, ihn zwischen die Brötchenhälften gesteckt und aufgefressen. Das Ego hat sich quasi selbst gefressen. Und ist daran verhungert. So bist du heimgekehrt. Das Ego muckt jetzt nicht mehr auf. Kann es ja nicht. Es verhungert jetzt immerzu, wie viel es auch frisst.

Und es frisst weiter, klar, der Traum ist schließlich immer noch voller Hamburger. Derweil ist der intakte Finger nun als andere verkleidet. Als eine ganze verdammte Spezies, die verrückt spielt. Irgendwann wird die Welt sich dieses bösartigen Fingers entledigen, das ist klar. So würdest du es auch am liebsten tun. Nachts in die Zimmer der Patienten schleichen, ihnen die Finger abhacken und dann zum Frühstück servieren. Aber es geht halt nicht. Jeder muss sich den Finger selbst abhacken. Und ihn selber auffressen. Und dann auf die Gnade warten. Oder sie ausdrücklich verlangen. mit aller Entschiedenheit in den Kosmos schreien. dass es endgültig reicht.

Das tun deine Patienten aber nicht, sie lehnen die Idee, sich selbst den Finger abzuhacken, brüsk ab. Sie halten an der Idee vom gesunden Ich fest, essen vegane Hamburger und erklären dich für verrückt. Ein Akt der Selbstverteidigung. Ganz normal in dieser Welt. In dieser Welt siegt nun mal das Ego. Und so ist es nur folgerichtig, dass sie dich samt deiner Medizin vom Hof jagen. Schließlich hast du die erste Regel gebrochen und das Stündchen auf der Bühne als Schattenbild und dessen Schöpfer als Idioten entlarvt.  

Damit war klar, dass ihr nicht unter einem Dach leben konntet, dass eines Nachts einer dem anderen den Kopf abschlagen würde. Aber auch das war natürlich nichts weiter als ein weiterer Akt im schwachsinnigen Theater. Am Ende bleibt nur Wahrheit. Denn sie ist schließlich, was wir sind, mit oder ohne Kopf und Hand und Finger. Nur das Unwirkliche kann bedroht werden. Nur Schattenbilder können sich bekämpfen. Nur das Unwirkliche kann sterben. 


“Hier ist ein simpler Test. Wenn es beruhigend oder tröstlich ist, wenn es ein warmes, wohliges Gefühl vermittelt; wenn es darum geht, angenehme emotionale oder mentale Zustände zu erreichen; wenn es um Frieden, Liebe, Ruhe, Stille oder Glückseligkeit geht; wenn es um eine bessere Zukunft oder ein besseres Morgen geht; wenn es dir ein gutes Gefühl angesichts deiner selbst gibt oder dein Selbstwertgefühl steigert, dir sagt, dass alles in Ordnung ist, so wie es ist; wenn es dir verspricht, dich zu verbessern, dir zu nützen oder dich zu ermächtigen, oder wenn es suggeriert, dass jemand anderes besser oder dir überlegen ist; wenn es um Glauben, Vertrauen oder Anbetung geht; wenn es das Bewusstsein steigert oder verändert; wenn es Stress bekämpft oder die Entspannung vertieft, oder wenn es therapeutisch oder heilend wirkt, oder wenn es Glück oder Linderung von Unglück verspricht – wenn es um eines dieser oder ähnliche Dinge geht, dann geht es nicht ums Aufwachen. Dann geht es darum, im Traumzustand zu leben, nicht darum, aus ihm herauszubrechen.

Wenn es sich andererseits anfühlt, als würde man dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen, als würde dir die Haut ausgehöhlt, wenn du spürst, wie deine Identität zerbricht, wenn es dich körperlich an die Grenzen bringt, deine Gesundheit schwächt und dein Leben aus der Bahn wirft, wenn du spürst, wie die Liebe in dir stirbt, wenn es dir so vorkommt, als wäre der Tod besser, dann ist es wahrscheinlich ein Prozess des Erwachens. Das oder eine heftige Blähungen.”

– Jed McKenna